Ausstellungen im Jahr 2022

Karl Meisenbach | Innere Emigration in Staudach-Egerndach

Zeitraum: 18.9. - 23.10.2022

Blick ins Atelierfenster

Der Münchner Maler Karl Meisenbach (1898-1976) lebte von 1941 bis 1951 in Staudach-Egerndach. Nachdem er von 1937 bis 1945 von den Nationalsozialisten in die Liste der entarteten Künstler wie Beckmann, Kokoschka, Picasso und viele andere aufgenommen und mit Ausstellungsverbot belegt wurde, zog er sich aus München und dem Kulturbetrieb zurück. Zunächst bei Gstadt, dann in Feldwies/Baumgarten und schließlich in Staudach-Egerndach fand die junge Familie unter ärmlichen Lebensbedingungen in Bauernhöfen Unterkunft. Selten gab es unter den einheimischen Bürgern selbstbewusste Käufer für ein Bild des von der Regierung geächteten Malers.

Aus diesen Jahren, 1942/43, stammen die zwei Ölgemälde mit Motiven bäuerlichen Lebens, die dankenswerterweise von Familie Starflinger für diese Ausstellung zur Verfügung gestellt wurden. In Meisenbachs ganz eigenem expressiven und von der Fachwelt vor dem Krieg hoch gelobtem Malstil hält der Maler hier die Arbeit eines pflügenden Bauern vor den Chiemgauer Bergen und ein Pferdeportrait stimmungsvoll fest.

``Verfemt in der Zeit des Nationalsozialismus und mit Ausstellungsverbot belegt, ließ er in seinen Bildern eine Gegenwelt entstehen, die ihm half, mit ihrer vitalen Leuchtkraft die Mühen und Bedrängnisse des Alltags zu ertragen'' (Gisela Hesse).

Citron naturel

Die zehn Jahre im Chiemgau waren für Meisenbachs künstlerische Laufbahn dennoch eine Zeit innerer Emigration mit Stillstand und Entbehrungen. Darauf deutet das dritte Bild im Atelierfenster `Citron naturel' von 1951 hin. Der fast leere schwarze Bauerntisch, lediglich Zitronen und ein Wasserglas darbietend, könnte für den Maler in der Rückschau symbolhaft für diese entbehrungsreichen Jahre gewesen sein. Gleichzeitig kündet das Bild in seiner neuen Formensprache schon den Aufbruch zu weiterer künstlerischer Entwicklung an. Vereinfachung und Reduzierung der Formen lassen in Meisenbachs Spätwerk Landschaften, Gestalten und Interieurs zu geistigen Bildern vom Leben werden.

Die drei ausgestellten Gemälde und ein Einblick in die von Uta Meisenbach-Baron und ihrem Mann herausgegebene Monographie über Karl Meisenbach erinnern im Atelierfenster an einen Staudacher Bürger und wichtigen, doch immer noch wenig beachteten Vertreter süddeutscher Malerei im 20. Jahrhundert.




Hans Herbert Hartwieg (1922-2019) | Zum 100. Geburtstag

Zeitraum: 1.7. - 28.8.2022

Blick ins Atelierfenster

`Ich habe noch nie gefeiert - und das werde ich auch an meinem 100. Geburtstag so halten.' (Hartwieg)

Der Maler Hans Herbert Hartwieg betrachtete seinen Lebensfluss ganzheitlich, wie einen Flügelschlag im Raum der Ewigkeit. Deshalb war ihm wohl die Einteilung seines Lebens in Jahre, die es zu feiern gilt, ohne Bedeutung. Dennoch möchte das Atelierfenster, dessen treuer Besucher und Aussteller (2011) er war, im Jahr seines 100. Geburtstages und seines 3. Todestages an ihn erinnern.

Ohne Absicht, einem inneren Trieb folgend fand Hartwieg auf der Suche nach Tiefe und Stille in seiner Malerei zu Ausdrucksformen konstruktiv/konkreter Kunst. Bei Einzelausstellungen in Prien, Traunstein oder im Museum Modern Art Hünfeld wurde sein Werk bereits ausführlich gewürdigt.

Im Atelierfenster sind neben Hartwiegs letztem Selbstbildnis, einer Bleistiftzeichnung von 2019, auch einige seiner kraftvollen Acrylbilder zu sehen. Sie ermöglichen dem Betrachter, Hartwiegs Wunsch entsprechend, `Besinnung und Ruhe zu finden - heraus aus dem gegenständlichen Denken in die unermessliche Weite des Denkens und Universums, frei von allen Fesseln' (Hartwieg).

Als Ergänzung der Ausstellung zeigt das Atelierhaus G2 in Staudach-Egerndach über 20 weitere Gemälde Hartwiegs, die man in der Abgeschiedenheit des Hauses betrachten und in Erinnerung an Hans Herbert Hartwieg feiern kann.


Franz Xaver Angerer | Skulptur und Grafik im kleinen Format

Zeitraum: 1.5. - 20.6.2022

Blick ins Atelierfenster

Seit über vier Jahrzehnten setzt Franz Xaver Angerer im Chiemgau und weit darüber hinaus mit seinen meist meterhohen Skulpturen Zeichen. In Landschaft und öffentlichen und privaten Innen- und Außenräumen konnte und kann man seinen aus Baumstämmen gesägten und durch Karbonisierung geschwärzten Arbeiten begegnen. Das Atelierfenster zeigt nun Beispiele seines umfangreichen Werkes, die auch im kleinen Format das große Thema seiner künstlerischen Auseinandersetzung widerspiegeln.


Angerer geht es um die Wahrnehmung von Strukturen geologischer, natürlicher oder kulturell bedingter Ursprünge, die sich aus dem immerwährenden Wechsel von Hoch und Tief ergeben. Gebirgsketten, vulkanische Schichtungen, Wellenlinien im Watt, Ackerfurchen oder das Kämmen von Flachs geben ihm Anregung. So entstehen seit Jahren in unermüdlich harter Arbeit Angerers Holzskulpturen, gebildet aus der gewachsenen Form von Baumstämmen, die er mit gesägten Strukturen überzieht, durchdringt, zerschneidet und auffächert.


Diese auch durch ihren fragmentarischen Charakter ästhetisch wirkenden Kunst-Zeichen, ob als Skulptur, Holzschnitt oder Collage, eröffnen dem Betrachter vielerlei Assoziationen und Empfindungen. Sie können warnende und hoffnungsvolle Fingerzeige auf den steten Rhythmus von Werden und Vergehen sein.

c. lewerentz


htmrbr zum 85. | `etwas machen, das nur deshalb Kunst ist, weil es etwas anderes nicht sein kann' (Gruber)

Zeitraum: 5.3. - 23.4.2022

Blick ins Atelierfenster

24.03.2022
Etwas über Schneegrenzen.
Nichts über Klima.
Nichts über Krieg.
Nichts über Viren.
Nichts über Zeit.
Etwas über Jetzt.
Etwas über htmrbr.
Nichts über htmrbr.
Punkt.

So oder ähnlich hätte ein Eintrag in Hetum Grubers Werkbuch an seinem 85. Geburtstag lauten können. Ab 1998 reduzierte Hetum Gruber seinen Namen auf das Pseudonym `htmrbr' und verzichtete auf die Weitergabe biografischer Daten. Dadurch wollte er zum Ausdruck bringen, dass für ihn nicht seine Person im Vordergrund steht, sondern allein das Werk. Dennoch erlaube ich mir, mit dieser kleinen Ausstellung im Atelierfenster und im Atelierhaus G2 zu seinem 85. Geburtstag, drei Jahre nach seinem Tod am 12.03.2019, an ihn zu erinnern.


Es ist nicht möglich, in diesem Rahmen das umfangreiche künstlerische Werk von Hetum Gruber angemessen zu würdigen. Doch möge die kleine Auswahl ausgestellter Arbeiten und Dokumente diesen außergewöhnlichen und bedeutenden Künstler aus unserer Region wieder ins Bewusstsein bringen. Von 1963 bis 1980 lebte Hetum (Hermann) Gruber mit seiner Familie im Achental und arbeitete als Kunsterzieher am LSH Marquartstein. Uns Schülern und Schülerinnen am LSH war wohl kaum bekannt, dass unser Lehrer schon damals deutschlandweit ein wichtiger und richtungsweisender junger Künstler war, zum Beispiel als Teilnehmer der Dokumenta 6 in Kassel, 1977. Für ihn waren sein Leben als Lehrer und seine Kunstarbeit völlig voneinander verschiedene Seiten einer Medaille.


Hetum Gruber gehört zu den ersten und vielleicht konsequentesten deutschen Konzeptkünstlern. Als profunder Kenner der Kunstgeschichte hat er mit unterschiedlichen künstlerischen Mitteln wie Zeichnung, Malerei, Skulptur, Installation, Text, Fotografie und Video immer wieder seine Gedanken zu Phänomenen der Gegenwart prozesshaft verarbeitet und sichtbar gemacht. Nach weit über 50 Einzelausstellungen befinden sich seine Arbeiten und ganze Werkgruppen in vielen öffentlichen und privaten Sammlungen, wie z. B. der Kunsthalle Karlsruhe, der Sammlung Frieder Burda in Baden-Baden oder dem Kunstmuseum Bonn. Im Chiemgau dürfte dieses wohl die erste und einzige Ausstellung mit Werken Hetum Grubers sein, der die Kunstlandschaft Deutschlands und viele seiner Schüler und Schülerinnen mitgeprägt hat.


Im Atelierhaus G2 (Gastätt 2) sind Planzeichnungen, Dokumentationen und Werkbuchnotizen von htmrbr zu sehen.

c. lewerentz


Stefanie Helene Friedrich | Malerei, Nichts Sonst

Zeitraum: 22.1. - 1.3.2022

Blick ins Atelierfenster

Bei dieser Ausstellung scheint das Atelierfenster mit den großen Leinwand- und Hinterglasbildern der Priener Malerin Stefanie Friedrich völlig überfüllt zu sein. Man blickt in einen einzigen Farbraum der Malerei SHe's, wie sie sich auch nennt.


Wer mit seinem Schauen diesen Raum betritt, kann sich regelrecht mitnehmen lassen in die Vorgänge des Malens. Diese Arbeitsprozesse mit ihren Spuren, Veränderungen, aufgeklebten Fragmenten sind für SHe wichtig und dürfen sichtbar bleiben. Mit den Mitteln der Malerei tritt SHe immer wieder in Dialoge zwischen ihrer inneren Welt und dem Erleben und den Einflüssen von außen. Somit zeigt jedes ihrer Bilder gerade eine Pause des Dialogs, der ebenso gleich weitergeführt werden könnte. SHe`s Malerei muss nicht als etwas Fertiges verstanden werden, sondern sie bleibt Reibungsfläche für Fragen, Experimente, Antworten oder das Sprengen von Grenzen. Die Bilder sollen auch nicht durch Bilderrahmen begrenzt werden. Sie bleiben vorläufig, offen und in gewisser Weise unfertig.


Die Freiheit der Malerei - nicht zu verwechseln mit Beliebigkeit - kann, wie SHe sie pflegt, als Aufruf verstanden werden, nicht still zu sitzen im einmal gemachten Nest, sondern immer in offenem, fragendem Dialog zu bleiben mit sich, der Welt, den Menschen.

c. lewerentz

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